Die Grenzen des Wasserexports
FDP informiert sich bei Schutzgemeinschaft Vogelsberg zur umweltschonenden Grundwasserbewirtschaftung
Das Thema ist alt und doch hochaktuell: Ist die Grundwasserförderung in den Vogelsberger Gewinnungsgebieten langfristig mit dem Naturschutz vereinbar?
Um auf diese Frage Antworten zu finden, hat sich eine Delegation aus FDP-Politikern mit Vorstandsmitgliedern der Schutzgemeinschaft Vogelsberg getroffen. Dabei waren die FDP-Bundestagskandidatin für den Wahlkreis 175 (Main-Kinzig/Wetterau II/Schotten), Andrea Rahn-Farr aus Büdingen, sowie die umweltpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im hessischen Landtag, Wiebke Knell. Mit André Tonigold und Stephan Ringmaier (beide im Vorstand der FDP Vogelsberg) waren auch zwei engagierte Kreistagsmitglieder anwesend. Gastgeber war der Bürgermeister von Ulrichstein, Edwin Schneider, der den Sitzungsraum im Rathaus für diesen Anlass zur Verfügung stellte und vom 1. Stadtrat Joachim Erbes begleitet wurde. Der SGV-Vorstand wurde von Sascha Spielberger, 2. Vorsitzender und Bürgermeister von Freiensteinau, sowie Peter Weiß, Schatzmeister, und Heiko Stock, Schriftführer, vertreten.
Die SGV-Geschäftsstelle in Schotten leitet der Biochemiker Dr. Hans Otto Wack, der als selbständiger Ökologe für die wissenschaftliche Arbeit der Schutzgemeinschaft verantwortlich zeichnet. Er hat es in den Jahren seit der Gründung der SGV (1989) geschafft, das Thema Grundwasserschutz immer wieder in die Öffentlichkeit zu bringen und damit ein Bewusstsein für die Bedeutung zu schaffen. Für die Gäste aus der FDP hielt er einen fundierten und anschaulichen Vortrag. Er schlug darin den Bogen von den Umweltzerstörungen z. B. im Naturraum „Moor“, die aus der übermäßigen Grundwassergewinnung Ende der 80er Jahre resultierten, bis hin zu neuen Fernwasser-Leitungen , die den Wasserexport noch verstärken.
Um die Zusammenhänge zu verdeutlichen, ging er auf den Wasserkreislauf ein und skizzierte die Veränderungen, die durch den Klimawandel schon jetzt sichtbar und spürbar werden. „Wir haben durch die steigenden Temperaturen einen höheren Wassergehalt in der Luft. Dies führt zu den bekannten Starkregenereignissen. Der Vogelsberg ist hier ein Spiegelbild der weltweiten Misere“, so Dr. Wack. Und er kommt zum kritischen Punkt: „Die durchschnittlichen Jahresniederschläge sagen nichts mehr über die tatsächliche Grundwasserneubildung aus. Wir haben weniger Schnee und damit hat das Wasser während der Schneeschmelze auch weniger Zeit, in den Boden einzusickern. Die insgesamt längere Vegetationsperiode führt außerdem zu steigenden Verdunstungsraten, sodass kaum Wasser unten ankommt. Diese Faktoren können von uns Menschen überhaupt nicht beeinflusst werden!“
Was jedoch beeinflusst werden kann, ist die Grundwasserentnahme durch uns Menschen. Sascha Spielberger findet klare Worte: „Ein Weiter-So kann es nicht geben. Die Entnahmerechte sind bis 2034 festgeschrieben, basieren aber auf Gutachten von 1998! Die wissenschaftliche Grundlage stimmt nicht mehr, wir brauchen deshalb kürzere Laufzeiten.“ Denn die Folgen einer dauerhaft überhöhten Grundwasserentnahme sind drastisch. Die Einzugsgebiete werden aufgrund der geringeren Grundwasserneubildungsrate immer größer, die Grundwasserstände sinken. „Hier hat die SGV in den vergangenen 30 Jahre bereits viel erreicht: Sie hat das System der Grenzgrundwasserstände entwickelt und in Genehmigungsbescheiden durchgesetzt. Damit wird vor allem in den wertvollen Feuchtgebieten ein festgelegter Wasserstand nicht mehr unterschritten, wie es früher oft der Fall war“, würdigt FDP-Umweltsprecherin Wiebke Knell die Leistung der SGV.
Nun jedoch geht es nicht mehr alleine um den Schutz der Feuchtbiotope, sondern insgesamt um die Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Dr. Wack konkretisiert diesen Anspruch: „Wir erleben aktuell eine Weichenstellung in der hessischen Wasserwirtschaft. Betroffen davon sind alle Gewinnungsgebiete von Fernwasser für das Rhein-Main-Gebiet, aber auch die Wassergewinnung im Ballungsraum selbst. Es entscheidet sich, ob sich die Vereinbarkeit von Wasserversorgung und Naturschutz als langfristige Zukunftssicherung durchsetzen kann. Die aktuellen, betriebswirtschaftlich motivierten Planungen der beteiligten Wasserversorger gefährden diese. Seit 2017 ist nun auch der ZMW (Zweckverband Mittelhessischer Wasserwerke) ins Wassergeschäft mit dem Rhein-Main-Gebiet eingestiegen, indem er mit einer neuen Fernwasserleitung seine Brunnen an die OVAG-Transportleitung angeschlossen hat. Der RP Gießen hat den Leitungsbau genehmigt, obwohl für die angegebene Exportmenge von 2 – 5 Mio. m³/Jahr kein Bedarfsnachweis vorliegt. Mit dem Dauerbezug von ZMW-Wasser kann sich die Hessenwasser GmbH einen Wasserüberschuss verschaffen. Dieser soll ihr für die Stilllegung wenig profitabler Wasserwerke z.B. in Frankfurt dienen.“
Die Betroffenheit über diese Informationen war den liberalen Gästen deutlich anzumerken. Die FDP-Bundestagskandidatin Andrea Rahn-Farr stellte die Frage, ob Trinkwasser denn wirklich zur Handelsware degradiert werden könne, denn jeder (kostenlose) Kubikmeter Trinkwasser wird in einer solchen geplanten Lieferkette 5 Mal verkauft! „Es handelt sich dabei um einen Konflikt zwischen Betriebswirtschaft und Daseinsvorsorge, den die Politik dringend auflösen muss“, so die Liberale.
Wie es anders gehen kann, hat die SGV in einem Forderungspapier unter der Überschrift „Zukunftsfähige Vereinbarkeit von Wasserversorgung und Naturschutz“ niedergeschrieben und auf der Homepage veröffentlich. Darin werden z. B. die Stärkung der Eigenversorgung und Eigenverantwortung durch Schutz, Erhalt und Verbesserung der gebietseigenen Wasservorkommen und Versorgungsanlagen angemahnt. Ebenso sollen gebietseigene Wasser-Versorgungspotentiale aktiviert bzw. reaktiviert werden. Ganz wichtig: die Sparsame Verwendung von Trinkwasser und die Trennung von Trinkwasser und Brauchwasser in Häusern. Regelungen hierzu könnten in den Bebauungsplänen von Neubaugebieten verankert werden.
Wie jedoch soll dies politisch umgesetzt werden? Die Liberalen sehen hier die hessische Umweltministerin in der Verantwortung. „Ein Sonderbewirtschaftungsplan anstelle eines Erlasses könnte die Kompetenzen der beteiligten Fachbehörden bündeln, damit sie nicht weiter nebeneinander „herwurschteln“, sagt FDP-Frau Wiebke Knell dazu. „Dieser wäre für alle Behörden rechtsverbindlich. Die Ministerin Priska Hinz (Grüne) darf hier nicht mauern!“ Und Andrea Rahn-Farr kommentiert: „Wir brauchen hier wie auch in anderen Bereichen eine gerechte Verteilung der Lasten zwischen Ballungsraum und ländlichen Gebieten. Eine weitere Ausbeutung der Vogelsberger Trinkwasservorkommen über das naturverträgliche Maß hinaus darf es nicht geben.“
Die Gäste waren für die ausführlichen und wichtigen Informationen sehr dankbar und werden auch persönlich dafür sorgen, dass dieses Wissen um die Folgen der Trinkwasserentnahme in Zeiten des Klimawandels weitergegeben wird. Stephan Ringmaier und André Tonigold sind als FDP-Kommunalpolitiker aus dem Vogelsberg tief beeindruckt von der Tragweite der Problematik: „Wir müssen hier und in ganz Hessen unsere Verantwortung für eine vorausschauende Zukunftssicherung wahrnehmen. Dafür werden wir uns als Liberale einsetzen.“